Das Schätzen von kurzperiodischen Veränderlichen 

(Bedeckungsveränderliche, RR-Lyra-Sterne, W-Vir-Sterne)

Dietmar Bannuscher

Das Schätzen der kurzperiodisch Veränderlichen entspricht fast dem der Langperiodischen. Die Sterne werden demnach auch mit anderen Sternen verglichen. Allerdings sind in den Karten (BAV-Karten zu mehr als 249 kurzperiodisch veränderlichen Sternen) keine Magnitude für die Vergleichssterne ausgewiesen. Die Karten enthalten Aufsuchfelder in verschiedener Vergrößerung, so daß der Veränderliche möglichst mit "Starhopping" gefunden werden kann. Die letzte Detailkarte zeigt dann das Sternfeld rund um den veränderlichen Zielstern.     

Nun stand der Astronom F. W. A.  Argelander vor ca. 150 Jahren vor einem ähnlichen Problem. Neben der Bonner Durchmusterung beschäftigte er sich auch mit der Veränderlichenbeobachtung. Zu seiner Zeit gab es noch keine gut festgelegten Helligkeiten aller Sterne, also dachte er sich eine Methode aus, wie der Helligkeitsabfall oder -anstieg gegenüber Vergleichssternen darzustellen wäre.

Er verglich den Veränderlichen auch mit einem helleren und einem schwächeren Nachbarstern. Folgende Einteilung legte er fest (bitte beachten, daß hierbei ein sehr intensives Betrachten und Vergleichen der Helligkeiten voraus geht) :

  • Stufe 0: Erscheinen mir beide Sterne a und V (Vergleichsstern und Veränderlicher) immer gleich hell oder möchte ich den einen, bald den anderen ein wenig heller schätzen, so nenne ich sie gleich hell.
  • Stufe 1: Kommen mir auf den ersten Anblick zwar beide Sterne gleich hell vor, erkenne ich aber bei aufmerksamer Betrachtung und wiederholtem Übergang von a zu V und V zu a entweder immer oder doch nur mit sehr seltenen Ausnahmen a für eben bemerkbar heller, so nenne ich a um eine Stufe heller als V. 
  • Stufe 2: Erscheint der eine Stern stehts und unzweifelhaft heller als der andere, so wird dieser Unterschied für zwei Stufen angenommen. 
  • Stufe 3 + 4: Eine auf den ersten Anblick ins Auge fallende Verschiedenheit gilt für 3 Stufen. Endlich bedeutet Stufe 4 eine noch auffallendere Verschiedenheit
 
Wie der Sterngucker diese Einteilung in moderner Form schriftlich festhält, ist weiter unten angegeben.

Der Beobachter vergleicht erst den helleren Stern mit dem Veränderlichen und legt eine Stufe zwischen beiden fest. Danach guckt er sich die Unterschiedlichkeit zum schwächeren Vergleichsstern an, und stuft den Veränderlichen entsprechend ein. Da keine Sternnamen auf den Karten angegeben sind, bezeichnet man die Vergleichssterne nach dem Alphabet in der Reihenfolge ihrer Helligkeit. Da bei den Veränderlichen durchaus hohe Amplituden vorhanden sind, braucht man normalerweise drei bis fünf Vergleichssterne. Der Veränderliche wird mit V bezeichnet.

Zur Erinnerung sei gesagt, daß die Beobachtung des Maxi- oder Minimums eines kurzperiodisch Veränderlichen in der Regel in einer Nacht stattfindet. Man muß also innerhalb von wenigen Stunden zwischen allen Vergleichs- sternen hin- und herpendeln.
Eine Beobachtungsreihe könnte z. B. so aussehen (bitte beachten: der hellere Vergleichsstern steht immer vor, der schwächere immer hinter dem V):
 
21.10 Uhr a0V2b  
21.30 Uhr a1V1b  
21.45 Uhr a2V0b  
22.00 Uhr b1V3c  
22.15 Uhr b3V0c  
22.30 Uhr b2V1c  
23.00 Uhr b1V3c  
23.15 Uhr a2V0b  

Mit der Uhrzeit und den Daten, die noch umzurechnen sind, kann eine Lichtkurve erstellt werden! Dafür müssen die Schätzwerte aber noch in einer bestimmten Art und Weise umgerechnet werden, so daß aus den Stufen relative Helligkeitswerte entstehen (die Vergleichssterne müssen zueinander in Beziehung gesetzt werden und erst dann kann man den Veränderlichen im Verhältnis dazu aufzeichnen).

Anhand der vorliegenden Beispielwerte kann der Beobachter schon erkennen, daß der Stern zunächst schwächer wurde (er näherte sich erst b und dann c an), hernach aber wieder zu a aufgestiegen ist.

Die Beobachtung von kurzperiodisch veränderlichen Sternen ist vor allem deshalb interessant, weil der Beobachter den Lichtwechsel "live" innerhalb weniger Stunden erlebt.

Da eine ausführliche Darstellung der Umrechnung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, verweist der Autor auf VdSJ Herbst 1999 ("Die Argelander Stufenschätzung", S. 71ff) und VdSJ Sommer 2000 ("Auswertung visueller Lichtkurven, S. 84ff). Für weitergehende Fragen steht er und die BAV gerne zur Verfügung.