Diese Seite verwendet zur Darstellung Javascript. Entweder Sie haben die Verwendung von Javascript deaktiviert oder Ihr Browser ist nicht Javascript-fähig. Dadurch werden viele Teile der Seite nicht oder nicht richtig dargestellt. Außerdem werden viele Funktionen nicht ausgeführt. BAV Sektion Kurzperiodische Pulsationssterne


Übersicht über die kurzperiodischen Pulsationssterne (KPS)

Dr. Hans-Mereyntje Steinbach

Die meisten Menschen heutzutage verbinden mit dem Blick in den Sternenhimmel ein Gefühl der Ewigkeit und der immerwährenden Konstanz. Aber der arabische Name "Algol" ("Teufelsstern", "Kopf des Dämonen") des Sternes β Per deutet darauf hin, daß bereits den Arabern um etwa 1000 nach Christi Geburt sein Lichtwechsel aufgefallen ist, der erstmals 1669 durch Germiniano Montanari dokumentiert und 1783 von Goodricke als Bedeckungslichtwechsel interpretiert wurde. 30 Jahre vor Algols Entdeckung entdeckte Johann Ph. Holwarda eine mehr oder minder regelmäßig verlaufende Helligkeitschwankung bei dem Stern ο Ceti - Mira ("die Wundersame"). Im Gegensatz zu dem Bedeckungsveränderlichen Algol ist Mira ein langperiodisch pulsierender Stern mit einer mittleren Periode von ca. 331 Tagen.

Während bei Bedeckungsveränderlichen der auf der Erde wahrnehmbare Lichtwechsel durch geometrische Abschattungen zweier sich umkreisenden Sterne erfolgt, ist der Lichtwechsel bei Pulsationssternen durch das Pulsieren der äußeren Sternschichten und damit verbundenen Temperaturänderungen verursacht. Es handelt sich hierbei also um wirkliche Veränderungen im Zustand des Sternes.

Haupttreiber ist dabei die Temperaturänderung, da bei Cepheiden und RR-Lyr- Sternen der maximale Sterndurchmesser größenordnungsmäßig nur ca. 10%-15% größer ist als der minimale, sich also nur wenig auf die Gesamthelligkeit auswirkt. Das ist auch nicht verwunderlich, da der Sternradius nur mit der zweiten Potenz in den Strahlungsstrom eingeht, die Temperatur hingegen mit der 4. Potenz.

Die Objekte, mit denen sich die diese Sektion beschäftigt, sind Pulsationssterne mit einer Pulsationsdauer von meist deutlich unter einem Tag, also größenordnungsmäßig im Bereich von 2-3 Promille der Periodenlänge von Mira.

Das Standardverzeichnis für veränderliche Sterne, der "General Catalogue of Variable Stars", unterscheidet in seiner aktuellen Version eine Reihe von Veränderlichentypen, die in diesen Periodenbereich fallen, von denen aber nur zwei Typen einigermaßen vernünftig auch von Amateuren sowohl visuell als auch photoelektrisch bzw. mit CCD beobachtet werden können: die RR Lyrae- und δ-Scuti-Sterne. Sie machen machen mit ca. 97% den Löwenanteil dieser Gruppe aus, wie die Abbildung 1 zeigt.

Häufigkeitsverteilung der kurzperiodischen Pulsationssterne
Abb. 1: Häufigkeitsverteilung der kurzperiodischen Pulsationssterne


RR Lyrae Sterne

Die RR-Lyr-Sterne stellen mit fast 6800 Sternen (inkl. unsicherer Kandidaten) den Hauptanteil der kurzperiodischen Pulsationssterne (KPS) dar. Die Gruppe ist nach dem 1901 von W. Fleming in Harvard entdeckten Prototypen benannt, der mit einem Lichtwechsel von ca. 7.1-8.1m visueller Größe auch gleichzeitig ihr hellster Vertreter ist.

Entsprechend der Formen ihrer Lichtkurven werden die RR-Lyrae-Sterne heutzutage in zwei (früher drei) Klassen unterteilt: die RRab-Sterne und RRc-Sterne. Erstere machen ca. 92% der RR-Lyrae-Sterne aus und sind durch eine asymmetrische Lichtkurvenform gekennzeichnet: Der Lichtanstieg erfolgt sehr rasch in typischerweise 10%-20% der Periodenlänge, meist also 1-2 Stunden. Hieran schließt sich ein erst schneller und dann stetig abflachender Lichtabfall an. Häufig zeigt die Lichtkurve auch "Buckel". Die Amplituden des Lichtwechsels sind mit ca.0.5-2mV sehr groß, die Perioden reichen von ca. 0.2-1.2 Tagen.

Abbildung 2 zeigt beispielhaft eine Lichtkurve von SZ Gem.

Lichtkurve von SZ Gem
Abb. 2: Lichtkurve von SZ Gem, Sigma 402ME CCD-Kamera IR/UV-Sperrfilter

Die zweite Gruppe mit der Bezeichnung RRc zeichnet sich durch einen symmetrischen, fast sinusförmig verlaufenden Lichtwechsel aus. Ihre Amplituden sind durchweg <0.8mV und die Perioden liegen im Bereich von 0.2-0.5 Tagen.

Bei den RRab-Typen sind oftmals Änderungen der Lichtkurvenform und der Amplitude zu beobachten. Bei ca. 20% von ihnen verläuft die Lichtkurvenform periodisch um eine mittlere Form. Dieses Phänomen wird nach seinem Entdecker Sergei Nikolaevich Blazhko (1870 - 1956) genannt. Die Blazhko-Perioden liegen im Bereich 10-100 Tagen. Helle Vertreter mit besonders stark ausgeprägtem Blazhko-Effekt sind z. B. die Sterne RR Lyr, AR Her, AC And und RW Dra; allerdings ist AC And ein aus astrophysikalischer Sicht einzigartiger Fall, da er eine Position zwischen den Delta-Scuti-Sternen und klassischen Cepheiden einnimmt.

RR-Lyr-Sterne sind sehr alte, radial pulsierende Unterriesen bis Riesensterne. Sie sind die "Saurier" der Galaxis und dürften zu deren erster Sternengeneration gehören. Dementsprechend haben sie einen sehr geringen Metallanteil, der in etwa nur 1%-5% desjenigen der Sonne entspricht.

Im Unterschied zu Hauptreihensternen findet bei RR-Lyrae-Sternen das Wasserstoffbrennen, also die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium, nur noch in den äußeren Bereichen des Sterns statt (Schalenbrennen), wohingegen im Zentrum das Heliumbrennen stattfindet, bei dem aus drei Heliumatomen ein Kohlenstoffatom erzeugt wird. Die Oberflächentemperatur liegt bei ca. 6000-7500K (Spektraltyp A-F).

Obwohl die Masse der RR-Lyr-Sterne nur ca. 0.6 Sonnenmassen beträgt, übertrifft ihre Leuchtkraft die der Sonne um ungefähr das 50fache.

Das liegt an der höheren Temperatur und dem ca. 5fachen Sonnendurchmesser, den diese Sterne im Mittel aufweisen.

Im Hertzsprung-Russell-Diagramm besetzen die RR-Lyr-Sterne ein Band fast konstanter Leuchtkraft bei einer absoluten visuellen Helligkeit von ca. +0.6Mv (Abb. 3). Hierdurch wird klar, daß sie - im Unterschied zu Cepheiden und δ-Scuti-Sternen - fast keine Perioden-Leuchtkraft-Beziehung aufweisen.

Hertzsprung-Russell-Diagramm
Abb. 3: Hertzsprung-Russell-Diagramm der unterschiedlichen Veränderlichentypen
(Aus G. D. Roth, mit freundlicher Genehmigung des Autoren, Prof. Drechsel)

Ihrem Alter entsprechend findet man RR-Lyrae-Sterne im Halo unserer Galaxis mit Konzentration zum galaktischen Zentrum hin. Ihre Bahnen sind sehr exzentrisch und stark gegen die Milchstraßenebene geneigt. Aufgrund ihres starken Vorkommens in Kugelsternhaufen werden sie auch häufig "Haufenveränderliche" genannt. So sind z.B. sind in den Kugelsternhaufen M3 und M15 jeweils über 100 RR-Lyrae- Sterne bekannt.

Für manche Sterne liegt mittlerweile ein sich über weite Zeiträume (zum Teil über 100 Jahre) reichendes Beobachtungsmaterial vor, das interessante Aufschlüsse über die Entwicklung der Perioden gibt - und damit über die Sternentwicklung selbst. Hier sind vor allem Periodenänderungen mit konstanter Änderungsrate zu nennen, die sich in parabelförmigen B-R-Diagrammen manifestieren. Daneben treten auch bei manchen Sternen abrupte Periodenänderungen ein, deren Ursachen lange diskutiert und immer noch umstritten sind. Tatsache ist aber, daß die beobachteten Maximumzeiten oftmals keine andere Interpretation zulassen, als eben eine sprunghafte Periodenänderung. Zur Aufklärung dieser Phänomene ist eine dichte Beobachtungsfolge erforderlich, sowohl lichtelektrisch bzw. mit CCD, oder auch visuell. Jede Beobachtung zählt !


δ-Scuti Sterne

Die δ-Scuti-Sterne liegen im HRD zwischen der Hauptreihe und dem Band der RR-Lyrae-Sterne (Abb. 3) und gehören den Spektralklassen A0 - F5 und den Leuchtkraftklassen III-V an, sind also bei den Riesen- bis hin zu den Zwergsternen zu finden.
Sie sind deutlich massereicher als die RR-Lyr-Sterne (ca. 3MSonne), aber mit kleinerm Radius (ca. 2 RSonne).
Ihre absoluten Helligkeiten liegen im Bereich 0M - 3M. Im wesentlichen handelt es sich bei diesen Objekten um jüngere Sterne, die der Population I (Scheibenpopulation) angehören. Sie kommen auch in offenen Sternhaufen und als Doppelsternkomponenten vor.
Der GCVS nennt 539 Objekte, die mehr oder minder sicher dieser Klasse zugerechnet werden.

Die Perioden fallen deutlich kürzer aus als die der RR-Lyr-Sterne. Sie liegen im Bereich von 1/100 - 0.2 Tage und überlappen sich z. T. mit denen der RRc-Sterne.

Ihre Amplituden sind meist sehr klein (ab 0.003mV), jedoch erreichen 20% von ihnen größere Werte bis hin zu 0.9mV.
Teilweise sind ihre Lichtkurven denen der RR-Lyr-Sterne täuschend ähnlich.

Viele δ-Scuti-Sterne schwingen nicht nur mit ihrer radialen Grundschwingung, sondern auch mit 1. oder 2. Oberschwingung.
Sie sind somit nichtradiale Pulsatoren. Als Folge davon ergeben sich bei diesen Sternen komplexe, stark veränderliche Lichtkurvenformen, die temporär sogar bis zu einem Stillstand der Helligkeitsänderung führen können. Das Verhältnis von 1. Oberschwingung P1 zur Grundschwingung P0 beträgt in guter Näherung P1/P0=0.77.

Die Radialgeschwindigkeitskurve hat ihr Maximum ca. 1/10 Periode vor dem Zeitpunkt des Maximallichtes.

Ähnlich den Cepheiden - aber im Unterschied zu den RR-Lyr-Sternen - haben δ-Scuti-Sterne eine ausgeprägte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung, sofern man eine spektraltypabhängige Leuchtkraftklassenkorrektur berücksichtigt.

Der GCVS unterscheidet noch eine Untergruppe DSCTC mit durchweg Amplituden <0.1mag V und Leuchtkraftklasse V, die sich ausschließlich in offenen Sternhaufen findet.


SX-Phoenicis-Sterne

Hierbei handelt es sich um eine mit den Delta-Scuti-Sternen verwandte Gruppe; ihre Vertreter waren ursprünglich als DSCT-Sterne klassifiziert worden, jedoch führten eingehende Untersuchungen zu der Einführung einer eigenen Klasse, die mit 30 Sternen recht klein ist.

Der Hauptunterschied zu den DSCT-Sternen liegt in ihrer Metall-Unterhäufigkeit, es handelt sich also um sehr alte Sterne, die der Population II angehören (Halo- Population) und auch in Kugelsternhaufen vertreten sind !

Ihre Spektraltypen reichen von A2 bis F5, ihre absolute Helligkeit scheint deutlich schwächer zu sein als die der DSCT-Sterne. Der Namensgeber SX Phe hat z. B. eine absolute visuelle Helligkeit von +4.1MV.

SX-Phe-Sterne zeigen einen sehr schnellen Lichtwechsel mit Perioden zwischen 1 und 2 Stunden (0.04-0.08 Tage). Die Lichtkurvenform ist bedingt durch Mehrfachperiodizität mit einhergehender Amplitudenmodulation stark veränderlich. Die Amplituden können bis zu Amplituden bis zu 0.7mV anwachsen.

Interessant ist, daß einer der berühmtesten (ehemaligen) Delta-Scuti-Sterne, CY Aqr, in die Klasse der SX-Phe-Sterne umgesiedelt wurde. Bei einer Periode von ca. 88 Minuten vollzieht sich der Anstieg um fast eine 3/4 Größenklasse in ca. 10 Minuten! Hoffmeister schreibt, daß man das Hellerwerden des Sternes am Fernrohr unmittelbar sehen kann.


Literaturquellen:
THE COMBINED TABLE OF GENERAL CATALOGUE OF VARIABLE STARS VOLUMES I-III, 4TH ED. (GCVS4) (KHOLOPOV+ 1988)
AND NAMELISTS OF VARIABLE STARS NOS.67-78 (KHOLOPOV+, 1985-2008) WITH IMPROVED COORDINATES
Burnham, Robert jr.; "Burnham's Celestial Handbook", 1978, Dover Publ. Inc, New York, USA
Hoffmeister, C. et. al., "Veränderliche Sterne", 2. Auflage, 1984, Springer-Verlag
Roth, G. D. (Hrsg.), "Handbuch für Sternfreunde", 4. Auflage,1989, Springer-Verlag